Rechtsfolge 11 Falschpositive im Massnahmenrecht

Shownotes

6'445 Menschen waren in der Schweiz per Anfang des Jahres 2023 inhaftiert. Die Mehrheit von ihnen befindet sich im sogenannten «Straf- und Massnahmenvollzug».

Gibt es im Massnahmenvollzug auch Personen, die zu Unrecht einen Freiheitsentzug verbüssen? Die Rede ist von sog. «Falsch-Positiven» - Personen, denen Gefährlichkeit zugesprochen wird, die aber im Freiheitsfall nicht erneut delinquent würden. Wie – wenn überhaupt – ist ein solches Vorgehen rechtstaatlich zu legitimieren? Was versteht das Recht unter Gefährlichkeit? Und insbesondere: Wie können wir sie messen?

Darüber haben wir in Rechtsfolge 11 mit Julia Lehmann, Vera Moser und Rafael Studer gesprochen. Julia Lehmann, Vera Moser und Rafael Studer sind Doktorierende und Assistierende am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bern. Sie beschäftigen sich u. a. intensiv mit Fragen des Massnahmenrechts. Ihr Artikel «Falsch-Positive im Massnahmenrecht – Eine Debattenanalyse» ist in der Neuen Zeitschrift für Kriminologie und Kriminalpolitik erschienen.

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00:00:00: 6.445 Menschen waren in der Schweiz per Anfang des Jahres 2023 inhaftiert.

00:00:19: Die Mehrheit, ca. 65% von ihnen, befindet sich im sogenannten Straf- und Maßnahmenvollzug.

00:00:27: Während Personen im Strafvollzug eine schuldabhängige Freiheitsstrafe verbüßen,

00:00:32: gilt für Menschen im Maßnahmenvollzug etwas Grundlegend anderes.

00:00:37: Ihr Freiheitsentzug beruht nicht auf dem Leitgedanken der Bestrafung,

00:00:42: sondern erfolgt aufgrund ihrer vermuteten Gefährlichkeit für die Gesellschaft.

00:00:48: Wem Gefährlichkeit attestiert wird, bleibt inhaftiert und das unter Umständen ein Leben lang in Form der Verwahrung.

00:00:57: Doch was versteht das Recht und der Gefährlichkeit?

00:01:00: Und insbesondere, wie können wir sie messen?

00:01:04: Gibt es im Maßnahmenvollzug auch Personen, die zu Unrecht einen Freiheitsentzug verbüßen?

00:01:10: Die Rede ist von sogenannt falsch positiven.

00:01:14: Also Personen, denen Gefährlichkeit zugesprochen wird, die aber im Freiheitsfall nicht erneut delinquent würden.

00:01:22: Wie, wenn überhaupt, ist ein solches Vorgehen rechtstaatlich zu legitimieren?

00:01:28: Über diese und weitere Fragen wollen wir heute mit unseren Gästen Julia Lehmann,

00:01:33: Vera Mose und Raffael Studer sprechen.

00:01:37: Julia Lehmann, Vera Mose und Raffael Studer sind Doktorierende und Assistierende am Institut für Strafrecht und Kriminalogie an der Universität Bern.

00:01:47: Sie beschäftigen sich unter anderem intensiv mit Fragen des Maßnahmenrechts.

00:01:52: Ihr Artikel "Falsch positive im Maßnahmenrecht eine Debattenanalyse"

00:01:58: ist dieses Jahr in der neuen Zeitschrift für Kriminalpolitik und Kriminalpolitik erschienen.

00:02:03: Liebe Frau Lehmann, liebe Frau Mosse, lieber Herr Studer, vielen Dank, dass ihr heute unsere Gäste seid.

00:02:10: Vielen Dank, danke für die Einladung.

00:02:13: Ja, ein Rundetisch mit gleich fünf Personen im Podcast, das gibt es nicht oft bei uns.

00:02:20: Bitte stellen Sie sich und Ihre Arbeit durch unsere Hörerschaft kurz vor.

00:02:25: Wer sind Sie und womit beschäftigen Sie euch vor, nämlich an der Universität Bern?

00:02:31: Ja, sonst mache ich gleich den Anfang.

00:02:35: Ich bin, wie gesagt, da schalbe ich eine Dissertation an der Universität Bern mit Fokus auf Maßnahmenrecht.

00:02:43: Gleichzeitig bin ich auch als Rechtsanwalt in Zürich tätig und beschäftige mich auch dort, vor allem mit Maßnahmenfällen zurzeit.

00:02:52: Ich bin auch Rechtsanwältin und wissenschaftliche Assistentin an der Universität Bern und meine dies auch im Maßnahmenrecht,

00:03:02: wenn ich überraschend, aber ich befasse mich schwerpunktmäßig mit den forensisch-psychiatischen Gutachten,

00:03:08: insbesondere bei dieser Thematik auch eine große Rolle spielen.

00:03:13: Danke Julia, ich bin Vera, ich bin auch Assistentin und Doktorandin am Institut für Strafrecht und Klinologie an der Universität Bern,

00:03:23: wie bereits vorhin gesagt wurde.

00:03:25: Ich habe neben Rechtswissenschaften auch Philosophie studiert und beschäftige mich in meiner Forschung an der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Philosophie.

00:03:35: Ich beschäftige mich mit Fragen wie zum Beispiel stehen den Gerichten zweckmäßiger Begriffe und Gutachten zur Verfügung,

00:03:43: um die Gefährlichkeit einer Person zu beurteilen, wie wissenschaftlich sind forensisch-psychiatische Sysikogutachten

00:03:50: oder wie können forensisch-psychiatische Begriffe und Zetsen in einer juristischer Sprache übersetzt werden,

00:03:57: ohne dass wichtige Inhalte dabei verlorengen.

00:04:00: Jetzt würde uns zunächst interessieren, wann kann bei euch eigentlich der Gedanke oder das Bedürfnis auf eine Dissertation zu schreiben

00:04:09: und sich vor allem längere Zeit vertieft, mit einer Materie auseinanderzusetzen?

00:04:14: Bei mir war es so, dass ich nach der Anwaltsprüfung den Wunsch verspürte, mich noch vertieft wissenschaftlich mit einem Thema auseinanderzusetzen.

00:04:26: Und wie es der Zufall wollte, war direkt nach meiner Prüfung eine Stelle ausgeschrieben,

00:04:32: bei damals noch Professor Dr. Christoph Ergät, der ja nun an der Uni Basel ist, aber damals noch an der Uni Bernuir.

00:04:40: Und ich habe bei ihm eine Masterarbeit verfasst, bereits zum Thema der psychiatrischen Gutachten.

00:04:47: Und das hat mich einfach diese weiteren Jahre während der Anwaltspraktikante im Lernen nie losgelassen.

00:04:53: Ich verspürte einfach immer noch sein großes Interesse, dieses Thema vertieft zu erarbeiten.

00:04:58: Und deswegen habe ich mich bei ihm beworben, auch bereits mit dem Vorschlag eben, dieses Thema weiterzubearbeiten und eine Dissertation darüber schreiben zu können.

00:05:07: Und ja, glücklicherweise hat das dann geklappt und so bin ich zu der Stelle und meiner Dissertation gekommen.

00:05:14: Ja, bei mir hat das eigentlich auch, fängt das eigentlich mit den Anwaltspraktikern an.

00:05:21: Ich habe damals einen Aufsatz gelesen, das war im Jahr, ich habe es extra noch nachgeschaut, 2017, da hat Martino Mona und Anna Konnings,

00:05:30: haben zusammen einen Aufsatz publiziert, wo sie das erste Mal diesen Begriff "Ungefährlichkeitsvermutung erwähnt haben",

00:05:37: der dann später zu meiner Dissertation werden sollte quasi.

00:05:40: Und seit der hat mich das Thema eigentlich nicht mehr losgelassen.

00:05:43: Und ab 2020 habe ich dann ein Dissertationsprojekt gestartet, aber es war wirklich so ein,

00:05:49: ich habe darüber gelesen und langsam so ein Prozess mehr darüber nachgedacht

00:05:54: und ja, bin das ein bisschen reingerutscht, wie viele vermutlich von uns aus Interesse.

00:06:00: Bei mir war das bereits im Studium, ich habe mich schon immer mehr für die Seminare interessiert

00:06:08: und für das tiefer gehen in eine Materie, als dass ich Gesetze und Rechtsprechung und Literatur

00:06:16: in die Breite lernte, dafür er herauf der Oberfläche blieb.

00:06:21: Also das hat mich weniger interessiert, als eigentlich ein Thema wirklich intensiv zu behandeln.

00:06:28: Und da ist es mir auch sehr gelegengekommen, dass ich direkt nach dem Masterstudium die Möglichkeit erhielt zu doktorieren

00:06:38: und auch dabei unterstützt wurde, ein Philosophie-Studium zu absolvieren.

00:06:43: Seitweise wartet dann das Philosophie-Studium doch meine Hauptbeschäftigung.

00:06:49: Wir wollen ja heute vor allem auch über das Maßnahmenrecht sprechen.

00:06:55: Jetzt inhaftiert in der Schweiz, die sind ja nicht nur örtlich von der Gesellschaft getrennt,

00:07:00: sondern auch emotional bzw. psychisch.

00:07:03: Die meisten von uns können sich nur schwer vorstellen, wie stark der Freiheitsentzug sich auf die eigene Lebensrealität auswirkt.

00:07:12: Ihr allerdings zeigt Interesse an Maßnahmenrecht. Woher rührt das bei euch?

00:07:17: Ja, bei mir ist es eigentlich so, wenn ich das wirklich auseinandernehme, hat es wie verschiedene Ebenen.

00:07:24: Es gibt etwas Persönliches, Menschliches dabei.

00:07:27: Es gibt eigentlich ein wissenschaftliches Interesse und es gibt etwas Rechtsstaatliches, Rechtspolitisches für mich.

00:07:33: Vielleicht zu einem persönlichen, gerade aus Rechtsanwalt, habe ich diese Personen direkt vor mir.

00:07:40: Ich spreche mit denen, ich schreibe mit denen Briefe.

00:07:45: Das sind allzu oft das ganz normale Personen.

00:07:49: Man hat dann so ein Bild aus den Akten von irgendeiner Tat oder von gewissen Umständen.

00:07:55: Dann sitzt man da in diesem Raum und ein Gegenüber sitzt, zugespitzt gesprochen, ein typähmaliger Säcklehrer.

00:08:04: Das ist ein bisschen das persönliche.

00:08:08: Diese Personen, die in diesen emotionalen Ausnahmesituationen sind, wenn man diesen wirklich hinübersitzt,

00:08:14: dann ist es auch viel einfacher, sich da für die Person, nicht für die Tat oder die Frau sein zu setzen,

00:08:21: sondern für die Person an sich.

00:08:23: Das ist der erste Punkt. Das andere Maßnahmenrecht, das ist jetzt sehr juristisch gesprochen,

00:08:30: das ist fast nicht geregelt im Gesetz.

00:08:34: Es ist rudimentär für wie schwere Eingriffe das eigentlich sind, beispielsweise bei der Fervaro.

00:08:40: Das führt dazu, dass es viele erleitend Entscheidungen gibt, das Bundesgericht.

00:08:45: Da kann man wirklich prozessieren und kann etwas verändern.

00:08:49: Man kann im weitesten Sinne auch kreativ sein.

00:08:52: Das ist ein bisschen auch eine juristische Fingerübung, aber das steht für mich nicht im Zentrum.

00:08:58: Trotzdem gibt es nicht im jedem Rechtsgebiet.

00:09:02: Das Dritte ist das Recht staatliche, das Recht politische.

00:09:06: Ich finde, persönlich im Maßnahmenrecht läuft einiges nicht so rund.

00:09:12: Es läuft einiges nicht wie es sollte.

00:09:14: Das ist auch der Ausgangspunkt für unseren Aufsatz.

00:09:20: Hier möchte ich versuchen, ein bisschen Gegensteuer zu geben, auch wenn das vielleicht so ein bisschen dem Regenschirm unter dem Niagara-Fall fallgleicht.

00:09:31: Aber trotzdem, es ist auch von dem her, finde ich, es wichtig, mich dort zu im Maßnahmenrecht zu engagieren und mich dafür zu interessieren.

00:09:41: Für mich ist es so, gerade weil die Menschen von der Gesellschaft ausgeschlossen werden,

00:09:47: interessiere ich mich dafür, wie wir diese Ausschlüsse gesellschaftlich rechtfertigen.

00:09:53: Denn es muss gute Gründe geben, weshalb wir Menschen ausgrenzen,

00:09:57: sonst sind wir nicht besser als Kinder, die nicht gelernt haben, mit anderes Artikel umzugehen.

00:10:03: Grund für den heutigen Podcast ist unter anderem ihr eben erschienene Artikel "Falsch positive Maßnahmenrecht",

00:10:11: eine Debatenanalyse vom Sommer dieses Jahres.

00:10:15: Eine Frage bevor wir vielleicht in die Materie gehen.

00:10:18: Wie war für Sie der Schreibprozess zu dritt insgesamt?

00:10:22: Wie haben Sie das durchlebt und wie haben Sie sich da organisiert?

00:10:27: Ja, das ist eine gute Frage.

00:10:30: Die Idee entspricht unseren Dissertationsprojekten.

00:10:34: Es sind ja alles ähnliche Themengebiete, die alle irgendwo durch mit Gefährlichkeit und Maßnahmenrecht und Rückfällen und Gutachten zu tun haben.

00:10:43: Rafa ist hierbei auf mich und auf Werra und auf mich zugekommen, mit dieser Idee ein Aufsatz in diesem Themen-Schnitt zu verfassen.

00:10:53: Und das war ganz am Anfang, als wir an der Uni angefangen haben.

00:10:56: Also ich habe im Jahr 2020 so mit einem Corona-Lockdown angefangen.

00:11:00: Und als dann anmählich die Leute wieder ins Büro gekommen sind, haben wir uns alle kennengelernt und uns darüber ausgetauscht

00:11:08: und so erst viele Theorien gesammelt. Was könnten wir schreiben, was macht Sinn, was wollen wir überhaupt aussagen.

00:11:15: Und da wir alle drei nicht etwas anderen Hintergrund haben, ist da recht viel Material zusammengekommen.

00:11:20: Dann haben wir auch Schwerpunkte verteilt und sind dann ins Schreiben gegangen.

00:11:25: Und wir haben so ein Word-Dokument gehabt, das zeitweise recht ein Chaos und ein Durchschein anderem war,

00:11:31: mit vielen farbigen Anmerkungen und Überarbeitungen.

00:11:35: Und wir haben das jeweils dann herumgeschickt und einzeln daran gearbeitet und uns dann wieder getroffen.

00:11:42: Viele gemeinsame Mittagessen, viele gemeinsame Fübis, also Feierabendbier, wo wir uns da ausgetauscht haben, wie weiter mit diesem Aufsatz.

00:11:52: Und ja, so hat zeitweise recht viel Organisationsaufwand, also Schreiben zu dritt, haben wir gelernt, ist viel aufwendiger als Schreiben zu zweit.

00:12:00: Aber es hat sich gelohnt, es hat viel Freude gemacht und wir sind wirklich auch Freunde geworden während diesem Schreibprozess

00:12:07: und sind sehr glücklich, haben mit den Aufsatz in dieser Form zu Ende gebracht.

00:12:12: Ja, in Bezug auf das Schreiben habe ich auch viel über meine eigenen Schreibgewohnheiten gelernt und Denkmuster

00:12:21: und habe auch die Erfahrung gemacht, dass wirklich andere Schreibstile und Denkmuster und Arten mit Texten umzugehen, mich auch in meiner eigenen Arbeit weiterbringen können.

00:12:32: Also es war eine sehr tolle Erfahrung, diesen Aufsatz zu drittzuschreiben, auch wenn es einige Zeit dauerte, bis wir ihn dann tatsächlich fertig gestört hatten.

00:12:42: Ja, und es ist nach Lustig, das hat man eigentlich fast nie, aber ich weiß noch wirklich ganz genau, wie mir die erste Idee zu dem Aufsatz gekommen ist,

00:12:50: es war auf dem Wello durchs Krauchthall unterwegs, das mache ich eigentlich nicht oft, aber da war so eine Baustelle und ich bin an der roten Ampel stehen geblieben,

00:12:58: da plötzlich kam mir auf die, die irgendwie müsste man darüber etwas schreiben.

00:13:01: Es wird so oft diskutiert und niemand weiß genau, was das bedeutet und dann habe ich irgendwie wie wild ins Handy angefangen,

00:13:08: da ist es so in Notizen rein, es war schon lange grün, die zweite Rotphase übersprungen und dann, ja, das war so eine rudimentäre Idee

00:13:16: und dann kam ich einfach einfach nicht weiter und das war ideal, weil es eben nach Corona und dann konnten wir uns austauschen,

00:13:24: das ist wirklich so ein Projekt, wo alle drei Köpfe drinstecken, wirklich so, das ist so gut, also das finde ich so schön auch.

00:13:32: Ja, sehr interessant vom Krauchthall in die neue Zeitschrift für Kriminologie.

00:13:38: Jetzt wollen wir auch von diesem Artikel sprechen beziehungsweise die Thematik näher erörten, aber bevor wir jetzt im Einzelnen auf falsch positive zu sprechen kommen,

00:13:51: zunächst die Frage, welche Abgrenzung ist von Bedeutung, um das Maßnahmenrecht zu verstehen?

00:13:57: Also welche Rolle spielt Gefährlichkeit konkret und weshalb ist die etwa bei der Strafe nicht relevant?

00:14:04: Ja, das ist eine sehr gute Einstiegsfrage, denke ich, in dieses Thema, das sogenannte Maßnahmenrecht ist Teil unseres strafrechtlichen Sanktionenrechts.

00:14:15: Dieses unterscheidet die Sanktionsarten der Strafe und der Maßnahme.

00:14:20: Ganz allgemein werden diese beiden Sanktionsarten nach ihren Zweck und nach ihrer zeitlichen Orientierung voneinander abgegrenzt.

00:14:29: Während Strafen vergangenheitsorientiert sind und dazu dienen der Likte zu vergälten, sind Maßnahmen zukunftsorientiert und dienen dazu der Likte zu verhindern.

00:14:40: Demnach muss für eine Strafe ein schuldhaftes Verhalten vorliegen.

00:14:44: Für eine Maßnahme aber spielt es keine Rolle, ob sich die betroffene Person schuldig gemacht hat.

00:14:51: Was dafür zwingend gegeben sein muss, ist die Gefährlichkeit.

00:14:56: Um Maßnahmen anzuordnen, müssen Gerichte entscheiden, ob eine Person gefährlich ist oder nicht.

00:15:02: Solche Entscheidungen werden aufgrund von Risikogutachten getroffen, die ihnen von der forensischen Psychiatrie zur Verfügung gestellt werden.

00:15:11: Also Gefährlichkeit spielt eine zentrale Rolle.

00:15:15: Nun kennt denn das Gesetz die Lehre oder die Rechtsprechung überhaupt eine Definition von Gefährlichkeit?

00:15:22: Das kann ich mir unter Gefährlichkeit für die Gesellschaft vorstellen und von welcher Gesellschaft sprechen wir da überhaupt?

00:15:30: Ja, also das ist wirklich die Frage eigentlich.

00:15:34: Erstaunlich ist eigentlich die Antwort darauf. Es ist nicht so klar, was Gefährlichkeit eigentlich ist oder sein soll.

00:15:41: Wir als Jurist*innen schauen ja zuerst mal ins Gesetz und im Gesetz heißt es eigentlich nichts.

00:15:48: Es gibt keine übergreifende Definition von Gefährlichkeit.

00:15:52: Ich habe das in meiner Dissertation auch angeschaut und ich komme dann eigentlich, es ist auch in der Literatur nicht so klar.

00:16:03: Und was aber klar ist, dass es Gefährlichkeit ist, ein normativer Begriff.

00:16:08: Man kann sich vielleicht an den Begriff annähen, indem man sich fragt, ja, wozu dient er denn.

00:16:16: Und Gefährlichkeit dient dazu Grundrechtseingriffe zu legitimieren.

00:16:20: Also er, wie Berra gesagt hat, er steht eigentlich dort wobei den Strafen die Schuld steht, steht bei den Maßnahmen die Gefährlichkeit.

00:16:28: Also plastisch ausgedrückt, wenn jemand schuldig ist, bestrafen wir.

00:16:33: Wenn jemand gefährlich ist, ordnen wir Maßnahmen an.

00:16:37: Also auf den Punkt gebracht könnte man sagen Personen, denen wir Maßnahmen auferlegen, jetzt in unserem Kontext, die gelten als gefährlich.

00:16:45: Und wenn man das umdreht, ist eigentlich Gefährlichkeit im Sinne des Maßnahmenrechts, wo wir uns hier interessiert,

00:16:54: liegt vor, wenn diese Voraussetzung vorliegen und die Kernvoraussetzung ist eigentlich Rückfallrisiko.

00:17:02: Also Gefährlichkeit, wenn man sich so irgendwie annähert, ist eigentlich, ist dann gegeben,

00:17:11: wenn ein genug hohes Rückfallrisiko von dieser Person vorliegt.

00:17:16: Ja, spannend auch natürlich ihr Umgang mit den Unsicherheiten.

00:17:21: Ich mag das sehr gerne auch, dass das qualifiziert wird.

00:17:24: Jetzt, wenn wir etwas weiterfragen wollen im Sinne dieses strafrechtlichen Misanplas quasi,

00:17:31: wie ist das eigentlich mit den falschen Positiven?

00:17:34: Was müssen wir uns darunter vorstellen?

00:17:36: Ja, bei dieser Frage, was sind falsche Positiven, sind wir zuerst von einer allgemeinen Definition von falsche Positiven ausgegangen.

00:17:45: Auch wir haben uns gefragt, wie können wir das überhaupt definieren?

00:17:49: Und es war immer noch tief im Corona, ich glaube zweimal Corona-Winter hat dieser Aufsatz erlebt mit uns.

00:17:55: Und wir können ja uns alle noch erinnern, diese Corona-Tests, die wir gemacht haben und dann mit diesen zwei Linien positiv.

00:18:02: Und wenn ein so ein Test eben nun anzeigt, dass man Corona hat, dass er positiv ist, obwohl man eigentlich gar nicht infiziert ist,

00:18:10: dann ist das ein falsch positives Resultat.

00:18:13: Also ein Test auf eine bestimmte Eigenschaft, zeigt dann an, dass diese Eigenschaft vorhanden ist, obwohl sie es in Möglichkeit gar nicht wäre.

00:18:22: Und von dieser allgemeinen Definition von falsch Positiven sind wir dann ausgegangen

00:18:27: und wir haben uns gefragt, ob es auch im Maßnahmenrecht falsche Positiven gibt und wie und in welcher Form.

00:18:34: Weil es wird im Maßnahmenrecht ganz oft von falsch Positiven gesprochen.

00:18:39: Aber wir hatten einfach das Gefühl, dass es da verschiedene Definitionsansätze gibt und auch Missverständnisse,

00:18:47: soweit wir das erruieren konnten zu Beginn dieses Aufsatzes.

00:18:52: Und deswegen haben wir dann begonnen darüber zu schreiben und im Verlauf dieses Aufsatzes auch diese Missverständnisse aufgezeigt

00:18:59: und deswegen auch der Titel eine Debattenanalyse, weil wir eben schauen wollten, wo liegen diese Missverständnisse, wie kommen die zustande

00:19:07: und können wir etwas dazu beitragen, diese Definitions- und Begriffsklerung voranzutreiben.

00:19:14: Aber habe ich das richtig verstanden?

00:19:16: Also der Begriff "falsch positiv" kommt eigentlich mehr aus der empirischen Wissenschaft,

00:19:21: während dem Gefährlichkeit eher, wie Herr Studer vorhin gesagt hat, ein normativer Begriff ist.

00:19:28: Genau, also falsch Positive gibt es in verschiedenen Wissenschaften.

00:19:32: Wir haben uns die Definition aus einem Statistikbuch und Mathematikbüchern zusammengesucht.

00:19:38: Auch es wird oft, vielleicht ist Ihnen die Vierfeldertafel bekannt, mit diesem eben "falsch positiv" richtig positiv,

00:19:46: "falsch negativ" richtig negativ, also von daher wird es sich in frieden-wissenschaftlichen Bereichen angewandt

00:19:53: und ganz wichtig, das nochmal zu sagen oder zu wiederholen,

00:19:57: Gefährlichkeit ist ein rein normativer juristischer Begriff und auch nur zugeschnitten jetzt auf das Maßnahmenrecht.

00:20:06: Gefährlichkeit könnte beispielsweise im Zivilrecht wieder etwas ganz anderes bedeuten,

00:20:10: aber unsere Definition nach ist Gefährlichkeit eben die Summe aller Maßnahmen voraussetzungen

00:20:18: und eben auch nicht derkungsgleich mit dem Rückfallrisiko, wie das oft gerne verstanden wird,

00:20:23: oft wird auch von Rückfallgefahr gesprochen, das wäre unsere Ansicht nach falsch,

00:20:28: aber das Rückfallrisiko ist eben ein großer Teil, wenn nicht sogar ein Kern-Element der Gefährlichkeit.

00:20:35: Wir können sonst nachher noch auf diese Unterscheidung zu sprechen und die Konsequenzen, die damit verbunden sind,

00:20:42: aber vielleicht jetzt erstmal diese Terminus "falsch positiv",

00:20:49: der insinuiert ja nicht einfach nur, dass alles falsch ist in diesem Moment,

00:20:53: aber trotzdem, damit geht einher, dass sich jemand unter Umständen ungerechtfertigt im Maßnahmenvollzug befindet

00:21:02: und jetzt interessiert uns hier natürlich, haben Sie eine konkrete Vorstellung davon,

00:21:07: was ungerechtfertigt in diesem Zusammenhang bedeutet? Könnt ihr uns das kurserleuten?

00:21:13: Ja, wir haben eine ganz konkrete Vorstellung davon, was ungerechtfertigt in diesem Zusammenhang bedeutet,

00:21:22: ist wohl fraglich und wir wirklich ganz konkret, weil wir eine Vorstellung haben,

00:21:29: es geht eben mehr um abstrakte Prüfsteine, Gedanken und Mengen, also Gruppen von Personen

00:21:38: und nicht um ganz konkrete Dinge, die wir hier behandelt haben.

00:21:44: Aber wenn wir das doch mal aufs Maßnahmenrecht beziehen, dann kann man sagen,

00:21:50: dass falsch positiv ein Gerichtsurteil wäre, das befindet, dass eine Person gefährlich sei,

00:21:57: obwohl die Person in Wahrheit nicht gefährlich ist. Ob man das herausfinden kann

00:22:02: und wie ist eine andere Frage, aber ganz theoretisch gesehen wäre es ein Gerichtsurteil,

00:22:09: das eben befindet, eine Person sei gefährlich, obwohl die Person nicht gefährlich ist.

00:22:14: Wenn aus einem solchen Gerichtsurteil nun ein Maßnahmenvollzug folgt, dann ist dieser Vollzug ungerechtfertigt,

00:22:22: weil das Zwingen der Kriterium der Gefälligkeit in Wahrheit nicht erfüllt ist.

00:22:27: Obwohl der Maßnahmenvollzug rechtlich legitim ist, weil ein entsprechendes Gerichtsurteil vorliegt,

00:22:34: ist dieses Gerichtsurteil selbst falsch positiv.

00:22:39: Der Maßnahmenvollzug ist also ungerechtfertigt, weil das Gerichtsurteil ein Fehlurteil ist.

00:22:45: Ich denke, wir können dann später nochmals eben auch auf dieses Thema zurückkommen.

00:22:52: Da sind jetzt schon einige Dinge gesagt worden, die zu dessen Verständnis unsere Gedanken führen werden,

00:23:00: die wir jetzt dann auch noch äußern werden zu den Fragen, die noch kommen, denke ich.

00:23:04: Ja, und wenn man das vielleicht so ein bisschen plakativ darstellen möchte,

00:23:09: dass das eigentlich für uns falsch positiv ist, was man normalerweise die Diskussion kennt,

00:23:14: man ja gut über "schuldig" und "unschuldig".

00:23:17: Also das gibt, das füllt ganze Samstagabende mit Grimis.

00:23:21: Ist die Person jetzt eigentlich wirklich schuldig oder ist sie unschuldig?

00:23:25: Und für uns ist diese ganze Diskussion um die Falschpositiven ein bisschen das Äquivalent davon.

00:23:32: Also eine Person, die weggesperrt wird, denn die Freiheit entzogen wird, obwohl sie eigentlich ungefährlich ist.

00:23:40: Wie wäre gesagt, in der Teil, was das dann heißt, ist komplexer, aber die Grundidee ist ein Unrecht,

00:23:48: weil sie eigentlich nicht weggesperrt werden sollte, weil sie eigentlich ungefährlich ist.

00:23:53: Genau, da stellt sich jetzt eigentlich immer noch die Frage,

00:23:56: wenn Gefährlichkeit normativ ist, wie funktioniert das dann genau?

00:24:00: Wie kommt man auf ein Gerichtsurteil, dass besagt die Person ist gefährlich, obwohl sie eben nicht gefährlich ist?

00:24:06: Das kann man sich abstrakt noch nicht ganz vorstellen, da wird es vielleicht helfen,

00:24:11: wenn wir uns zunächst einmal fragen, wie funktionieren denn solche Gefährlichkeitszuschreibungen in der Praxis

00:24:18: und auch die Beurteilung des Rückfallrisikos, wie wird das praktisch erruiert?

00:24:24: Dazu kann wir vielleicht mit der Beurteilung des Rückfallrisikos beginnen,

00:24:29: weil so läuft es in der Praxis, zuerst findet eine Beurteilung des Rückfallrisikos einer Person statt.

00:24:35: Und auf diese Beurteilung stützt das Gericht, dann die Frage, ist diese Person ungefährlich

00:24:40: oder nicht folgt eben dann diese Gefährlichkeitszuschreibung.

00:24:44: Ich hoffe, es ist in Ordnung, ich werde jetzt etwas ausholen, um eben zuerst zu erklären,

00:24:49: wie kommt die Beurteilung des Rückfallrisikos zustande.

00:24:53: Weil im Maßnahmenrecht fast in allen Entscheidungen des Maßnahmenrechts braucht es eine solche Beurteilung über das Rückfallrisiko.

00:25:01: Das Gericht muss da die forensische Psychiatrie zu Hilfe nehmen, also das Gericht darf nicht selbst entscheiden,

00:25:06: wie hoch das Rückfallrisiko ist, also diese Expertise wird quasi extherm geholt.

00:25:11: Und dazu werden eben diese sogenannten forensisch-psychiatrischen Gutachten oder auch prognose Gutachten in Auftrag gegeben.

00:25:20: Und die forensischen Sachverständigen führen dann diesen Auftrag durch und erstellen dieses Gutachten

00:25:26: und für das unterhalten sie sich mit den betroffenen Personen, also stellen ganz viele Fragen,

00:25:32: führen die sogenannte Exploration durch, stütten sich aber auch auf Akten.

00:25:37: Die meisten sind sehr umfangreich in diesem Maßnahmenrecht.

00:25:41: Und manchmal werden auch noch weitere Untersuchungen durchgeführt.

00:25:44: Das können körperliche Untersuchungen sein, wie Bildgebungsverfahren,

00:25:48: oder können auch weitere eigenständige Untersuchungen sein, indem man beispielsweise die Therapeutin

00:25:55: oder der Ex-Mann der beschuldigten Person anruft und dort weitere Informationen einhält.

00:26:01: Dann ist eben so dieses Sammeln von Informationen ein großer Bestandteil.

00:26:06: Dann wird unter anderem eine Diagnose festgelegt im Gutachten, plus eben auch dann,

00:26:12: und das ist meines Erachtens der Kernbereich, jeder solchen Gutachtens, die Beurteilung des Rückfallrisikos

00:26:18: anhand dieser gesammelten Daten und Informationen.

00:26:22: Und für das werden sogenannte standardisierte Prognoseinstrumente,

00:26:27: die werden manchmal auch aktuarische Prognoseinstrumente genannt, eingesetzt.

00:26:32: Und die funktionieren vereinfacht gesagt so, dass bestimmte Items erfüllt sein müssen.

00:26:39: Also beispielsweise schaut man, nimmt die entsprechende Person drogen,

00:26:44: gibt es Substanzmissbrauch oder gibt es Vorstrafen, aber es gibt auch ganz...

00:26:51: ja, wie soll man sagen, andere Anhaltspunkte, die nicht so eng mit der Straftat zusammenhängen.

00:26:56: Beispielsweise ist die Person verheiratet oder hat sie wechselhafte Beziehungen.

00:27:00: Also also fast undenkbare und sehr denkbare Fragen werden dort wie gesammelt

00:27:05: und dann werden dann eben je nach Antwort, je nach Sachlage Punkte vergeben.

00:27:09: Und jetzt nochmals vereinfacht gesagt, je mehr Punkte man bei diesen friedenen Items erreicht,

00:27:15: desto höher ist dann das Rückfallrisiko entsprechend diesen standardisierten Risikoinstrumenten.

00:27:22: Und das basiert eben alles auf Statistik und das ist nicht eine Einzelfallprognose.

00:27:28: Und es gibt seitens der Rechtswissenschaft sehr viel Kritik an diesen Prognoseinstrumenten

00:27:34: und wie wir finden durchaus auch berechtigte Kritik.

00:27:37: Ich denke, da werden wir auch noch darauf zu sprechen kommen,

00:27:40: weil es auch unsicher ist, wie treffgenau sind in diesen Instrumenten.

00:27:43: Das tun jetzt alles sehr nach Mathematik und Berechnen etc.

00:27:48: Ist es aber nicht immer, das muss man eben dann genauer anschauen.

00:27:53: Plus eben neben dieser standardisierten Prognose gibt es dann auch immer noch eine individuelle Einzelfallprognose.

00:28:00: Und so kommen die Sachverständigen dann zu einem ermittelten Risiko.

00:28:04: Das Risiko setzt sich immer zusammen aus der Wahrscheinlichkeit einer weiteren Straftat

00:28:09: und der Schwere dieser drohenden Straftat.

00:28:12: Das tun jetzt alles sehr abstrakt, aber vielleicht um einfach mal ein Beispiel zu machen.

00:28:16: Im Gutachten steht ein Beispiel so, als er irgendwo auf den letzten Seiten,

00:28:20: Herr B. wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 30% in den nächsten zwei Jahren wieder ein Gewaltdelikt begehen.

00:28:27: Das wäre dann so eine Beurteilung des Rückfallrisikos.

00:28:31: Und nun zur Zuscheidung der Gefährlichkeit.

00:28:33: Die Gerichte erhalten dann diese Gutachten, sehen diese Beurteilung der Rückfallrisiken.

00:28:39: Vielleicht sind auch noch verschiedene Rückfallszenarien aufgeteilt.

00:28:43: Unter diesen Umständen eher ein niediges Rückfallrisikos und unter diesen Umständen eher ein hohes Rückfallrisiko.

00:28:49: Und das Gericht muss sich dann fragen, auf welcher Schwelle setzen wir jetzt dieses Rückfallrisiko fest.

00:28:56: Was ist der Sachverhalt in diesem Urteil?

00:28:59: Und wie hoch soll nach der Meinung des Gerichts dieses Rückfallrisiko sein, damit eben eine Maßnahme angeordnet werden kann?

00:29:07: Und das ist der sogenannte Umschlagpunkt.

00:29:11: Da muss sich das Gericht dann fragen, ist eine Person ab einem Rückfallrisiko von 30%, 50% oder 70% gefährlich.

00:29:20: Und das ist eben diese Zuschreibung der Gefährlichkeiten.

00:29:24: Deswegen ist das ein normativer Begriff, weil das Gericht das im Einzelfall festlegt anhand dieser Schwelle.

00:29:31: Es gibt vielleicht noch Missverständnissen vorzubeugen.

00:29:34: Es gibt auch keine konkreten Richtwerte für diese Umschlagpunkte.

00:29:38: Also man sagt nicht, immer bei einer Verwahrung braucht es ein Rückfallrisiko von mindestens 40%.

00:29:45: Also es gibt keine solche konkreten Anhaltspunkte.

00:29:48: Das ist diese Zuschreibung des Gerichts, das es dann im Einzelfall ja was vornimmt.

00:29:53: Also angesichts der Schwere, das Grundrechtseingriffs eigentlich mit sehr viel Rechtsunsicherheit auch behaftet das Ganze.

00:30:01: Wenn ich das richtig verstehe, mit diesen Zuschreibungen von diesen Items.

00:30:05: Gibt es eigentlich eine Möglichkeit jetzt als Verteidiger oder als Verteidigerin einzelne dieser Positionen anzugreifen,

00:30:13: dass man irgendwie sagt, die ein Item beispielsweise sehr geprägt von unseren gesellschaftlichen normativen Vorstellungen

00:30:22: und hat keinen Zusammenhang mit der begangenen Straftat.

00:30:26: Gibt es so eine Möglichkeit oder ist es ausgeschlossen?

00:30:30: Ja, das geht dann wirklich sehr schon in die Praxis hinein.

00:30:34: Ich meine, es wird dann schwierig, weil man sich das so vorstellen kann,

00:30:40: das sind dann hundertseitige Gutachten von psychiatrischen Fachpersonen, die wir Jurist*innen lesen.

00:30:48: Und das ist schon für uns schwierig, weil wir Fachfreund sind, für die betroffenen Personen ist das oftmals noch schwieriger.

00:30:55: Und klar, wir befinden uns im Strafprozess, das heißt, man kann eigentlich grundsätzlich mal über alles reden

00:31:04: und man kann gerade als Verteidigerin, als Verteidiger kann man das schon in Zweifel ziehen.

00:31:09: Oftmals ist man halt dann auf ein bisschen auf verlorenem Posten, wenn man quasi die Wissenschaftlichkeit an sich anzweifeln würde.

00:31:17: Das ist halt wie eine Vorfrage, die vom Gericht eigentlich so nicht mehr hinterfragt werden will.

00:31:24: Weil von dem gehen wir jetzt einmal aus und jetzt diskutieren wir eher, wenn dann wird eher so ein bisschen,

00:31:31: also nicht über die Tools an sich, die Wissenschaftlichkeit an sich,

00:31:34: ob man dort etwas angreifen kann, eher über den Sachverhalt.

00:31:37: Also kann man jetzt bei Herrn B. wirklich davon sprechen, dass er wechselhafte Beziehungen hat,

00:31:45: wenn er drei verschiedene Partner*innen hat und 50 ist.

00:31:49: Also so ein Beispiel. So Wertungsfragen, die können einfach diskutiert werden.

00:31:54: Also die Tools an sich, wenn man das hinterfragen möchte, dann ist das wenn nur möglich mit anderen Sachverständigen Personen.

00:32:05: Also wenn man das privat gut achten, wenn man solche in Auftrag gibt,

00:32:13: Methoden kritische Gutachten sind da verbreitet, also dass man quasi das Gutachten von einer Fachperson kritisieren lässt,

00:32:22: in Anführungszeichen, also dass die dann aufzeigt, wo bestehend fachliche Männer sind.

00:32:27: Und so ist es allenfalls möglich, aber das sind praktisch, also das muss die Verteidiger*innen, die Verteidiger*innen muss, muss Personen kennen.

00:32:36: Das ist auch, das machen nicht alle Sachverständigen Personen, machen quasi für private solche Gutachten.

00:32:42: Dann gibt es ein finanzielles Risiko, also dass man das dann auch in T-Shirt bekommt,

00:32:51: das ist natürlich auch sehr wichtig, weil das kostet sehr sehr viel Geld, so ein Gutachten regelmäßig.

00:32:57: Auf die Frage zu antworten, es ist schwierig, also quasi prozessual jetzt gedacht so anzugreifen.

00:33:04: Dem kann ich Raffael nur zustimmen, aber trotzdem finde ich es eben wichtig,

00:33:09: dass man genau hinschaut und auch auf die Ebene der Items eben heruntergeht,

00:33:13: weil vielleicht kann ich da noch ein Beispiel anführen, ich habe einen Gutachten gelesen,

00:33:18: wo es um einen beschuldigten Mann ging und seine Ex-Frau hat eben bei seiner weiteren Untersuchung,

00:33:27: dem Gutachter gesagt, ja, ihr Mann sei schon früher gewalttätig gewesen gegen sie, also es habe da höchstliche Gewalt gegeben.

00:33:35: Und es gab damals auch Gerichtsverfahren, der Mann wurde aber jeweils frei gesprochen,

00:33:41: das heißt, im rechtlichen Sinne konnte ihm eben...

00:33:44: keine Schuld nachgewiesen werden bezüglich dieser höchstlichen Gewalt.

00:33:48: Der Gutachter hat dann trotzdem bei diesem Eitzens bei Frage zu Vorstrafen und schon

00:33:53: bereits vorher begangener Gewalt, ja weil es immer die höchste Punktzahl vergeben.

00:33:58: Und da kann man sich dann natürlich schon fragen, ob das eigentlich nicht falsch ist,

00:34:03: denn wenn es rechtlich nicht erstellt werden konnte, dann darf man in einem Beweismittel

00:34:08: im Strafprozess, was das franzispritiatische Gutachten ist, dann auch nicht davon ausgehen,

00:34:13: dass diese höchstliche Gewalt begangen worden ist, wenn man wurde freigesprochen.

00:34:17: Und deswegen bin ich schon der Ansicht, auch wenn diese Gutachten lang sind und zum Teil

00:34:22: kompliziert, dass man eben sehr genau hinschauen muss und da auch eine Verpflichtung hat,

00:34:27: als Verteidigung sich dieses Fachwissen anzueignen.

00:34:30: Die Unschuldsvermutung soll also auch dann gelten.

00:34:35: Vielleicht eine kleine Rückfrage für ein Strafrechtslein wie mich, wenn sie vom Rückfallrisiko

00:34:42: sprechen, meint das immer auch mit Blick auf Taten, die ähnlich sind wie die, die in der

00:34:50: Vergangenheit begangen wurden, oder macht man da quasi ein Tabularase, eine Neubegutachtung

00:34:56: von jedem welchen Taten, die man in Zukunft begehen könnte.

00:35:00: Wie eng oder wie weit ist dieser Blick der Gefährlichkeit oder des Rückfallrisikos?

00:35:05: Ja, das ist eine sehr gute Frage.

00:35:09: Es wird oftmals verschiedene Arten von Taten, die in die Frage kommen, erwähnt in einem

00:35:17: Gutachten.

00:35:18: Das ist auch wichtig, wenn wir gute Gutachten haben wollen, dass das Rückfallrisiko eben

00:35:23: dazu äußert, welche Arten von Straftaten sind zur Wartung.

00:35:27: Und beispielsweise kann es Personen geben, die wegen mehreren Taten vorverurteilt sind,

00:35:33: beispielsweise Gewaltstraftaten und Sexualstraftaten.

00:35:36: Da gibt es aber so viel Verstehe aus dem Bereich der forensischen Psychiatrie ganz unterschiedliche

00:35:43: Rückfall, sogenannte Basisraten.

00:35:45: Und dann ist es eben schon wichtig, dann zu unterscheiden, und das wird auch gemacht,

00:35:49: so viel und so viel Rückfallrisiko besteht für eine Sexualstraftat und so viel und so

00:35:54: viel Rückfallrisiko besteht für eine Gewaltstraftat.

00:35:56: Also da wird dann schon differenziert.

00:35:58: Und ich denke, sobald wir dann ganz in den Bereich der leichten Kriminalität so zu

00:36:05: Übertretungen kommen oder so, vielleicht gibt es das aber ich habe noch nie in einem

00:36:10: Gutachtengelesen, es besteht da als Rückfallrisiko, dass jemand bei Rot über den Fußgänger

00:36:14: geht oder ein bisschen zu schnell fährt oder so, da konzentriert man sich schon auf gleichartig

00:36:19: gelagerte Taten.

00:36:20: Ich würde gerne noch den Blick nochmals auf eine etwas höhere Flughöhe bringen.

00:36:28: Die Frage war ja, ob eine Strafverteidigerin, ein Strafverteidiger ein solches Kriterium

00:36:35: angreifen könnte oder dort irgendetwas machen könnte, um dieses schlussendlich Urteil dann

00:36:41: auch anzugreifen.

00:36:42: Ich denke, was wirklich wichtig war, was auch Julia gesagt hat, ist, dass wir eben genau

00:36:48: hinschauen sollten und auch was Rafaal gesagt hat, dass wir als Jurist*innen immer eine

00:36:55: sachverständige Person herbeiziehen müssen, um solche Sachfragen in diesem Sinne zu hinterfragen

00:37:03: und gerichtlich dagegen vorzugehen.

00:37:05: Ich denke aber auch, dass wir allgemein in Frage stellen sollten und genau hinschauen

00:37:13: sollten, wie diese Risiko-Gutachten hergestellt werden, also wie diese Tools funktionieren.

00:37:21: Da haben wir eben diese Fragen und dieser Katalog, wo Punkte verteilt werden und am

00:37:28: Ende gibt es einen Rückfallrisiko oder in einer Wahrscheinlichkeitsaussage oder in

00:37:34: Hochmoderativ, in einer solchen gratuellen Abstufung heraus, spuckt es dann irgendwie

00:37:39: heraus.

00:37:40: Und diese Algorithmus, wie wir von diesem Input zu diesem Output kommen, diese Algorithmus,

00:37:47: diese ist bei diesen Risiko-Instrumenten geheimgehalten.

00:37:50: Das heißt, wir können gar nicht überprüfen, wie diese Gutachten tatsächlich zu ihrem

00:37:55: Schluß kommen.

00:37:56: Und ich denke, das ist auch eine wichtige Frage, die wir aber nicht als Jurist*innen in Funktion

00:38:03: einer Anwältin oder eines Anwalts beantworten können, sondern eben eher vielleicht als

00:38:09: Strafrechtswissenschaftler*innen oder auch eben Philosoph*innen und Personen, die sich

00:38:15: mit der Wissenschaftstheorie beschäftigen.

00:38:17: Ich denke, das ist auch noch ein wichtiger Hinweis auf diese Frage.

00:38:23: Ja, in eine ähnliche Richtung und dass erörten Sie in Ihrem Aufsatz, geht dieser Punkt, dass

00:38:30: es eben einen Unterschied macht, ob wir von falsch positiven hinsichtlich des Rückfallrisikos

00:38:36: sprechen oder hinsichtlich der Gefährlichkeit.

00:38:39: Stimmt das Sie haben es uns vorhin kurz angesprochen?

00:38:41: Welcher Unterschied besteht denn hier genau und was für Konsequenzen hat er in der Praxis?

00:38:48: Also zum Unterschied kann man sich mal so viel sagen, dass im ersten Fall, also hinsichtlich

00:38:55: des Rückfallrisikos, es keinen Sinn macht von falsch positiven zu sprechen.

00:39:00: Denn das Rückfallrisiko wird in, wie ich bereits gesagt habe, gradueller Abstufung angegeben,

00:39:07: also in Wahrscheinlichkeiten oder in Bezeichnungen wie hochmoderativ.

00:39:12: Falsch positive aber kann es nur geben, wenn wir eine Frage mit Ja oder Nein beantworten.

00:39:19: Im zweiten Fall, also in Bezug auf die Gefährlichkeit, wird von Gerichten gerade dies getan.

00:39:25: Wenn Sie eine Maßnahme anordnen, dann bejahen Sie die Gefährlichkeit.

00:39:30: Hier kann es also Sinn machen von falsch positiven zu sprechen.

00:39:35: Es kann Sinn machen, es heißt aber nicht, dass es in jedem Fall Sinn macht.

00:39:39: Dort kommt es dann wieder auf den Begriff der Gefälligkeit drauf an und wie wir zu uns

00:39:44: im Schluss kommen.

00:39:45: Ja und dort wurde uns einfach auch im Verlauf des Schreibprozesses wurde uns bewusst, dass

00:39:50: wir irgendwie unterscheiden müssen zwischen Einzelpersonen und quasi einer Betrachtung

00:39:57: in der Gruppe, weil also diese Kritik von falsch positiven operiert oft quasi mit der Einzelperson.

00:40:05: Also herbe ist ein falsch positiver oder frau c ist eine falsch positive und das haben

00:40:12: wir in unserem Verständnis von falsch positiven kann.

00:40:15: Das eigentlich ist das logisch ist das nicht möglich sozusagen, sondern es bezieht sich

00:40:20: muss ich immer auf eine Gruppe beziehen.

00:40:23: Also dass wir sagen können statistisch gesehen sind gewisse Personen, diese Gruppe sind falsch

00:40:29: positiv.

00:40:30: Aber wir können dann nicht im Einzelfall sagen, welche Personen es ist.

00:40:34: Dort wird es eben ein bisschen komplizierter.

00:40:38: Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass es nicht die Personen selbst sind, die

00:40:44: falsch positiv sind, sondern die Urteile über die Personen.

00:40:47: Also dass wir auch nicht eigentlich sagen, die Person ist falsch positiv, sondern es ist

00:40:52: immer das Urteil über eine Person, das falsch positiv sein kann.

00:40:56: Und es kann dann eben eine statistische Größe solcher falsch positiven Urteile geben in

00:41:03: der Theorie.

00:41:04: Und wenn wir dann von falsch positiven Personen sprechen oder im Betrabattau und das Massen

00:41:10: am Recht von falsch positiven Personen gesprochen wird, dann ist es eine imaginäre Größe,

00:41:16: Gruppe an Personen, die potenziell nicht rückfällig werden würden, während sie in der Freiheit.

00:41:23: Genau, aber das sind eben nochmal, um darauf zurückzukommen, eigentlich die Urteile, die

00:41:29: falsch positiv sind und nicht die Personen.

00:41:31: Wir haben es verschiedentlich schon gehört, dass Maßnahmenrecht ist geprägt von Interdisziplinarität.

00:41:38: Also das rechtliche Schicksal eines Insassen hängt von forensisch-psychiatrischen Beurteilungen

00:41:44: eben genauso ab wie von deren rechtlichen Gewichtung.

00:41:48: Jetzt, wie spielen diese beiden Aspekte in ihren Augen zusammen?

00:41:52: Ich denke, da gibt es mehrere Punkte, die man ansprechen kann.

00:41:58: Was mir gerade als Erstes in den Sinn kommt, was an dieser Schnittstelle zwischen Psychiatrie

00:42:03: und Recht immer wieder bemängelt wird, dass es eine Kompetenzverschiebung gibt von den

00:42:07: Gerichten weg hin zu den psychiatrischen Sachverständigen.

00:42:11: Und weil das Gericht ja eben dieses Fachwissen nicht selbst tat oder nicht erstellen darf

00:42:15: über das Riechvollrisiko, werden diese Gutachten eingeholt und dann wiederum gestützt auf

00:42:21: dieses Gutachten gibt es das Gerichtsurteil.

00:42:24: Und das Gericht darf von diesen Gutachten eigentlich nicht abweichen, jedenfalls nicht

00:42:29: ohne triftigen Grund, sagt das Bundesgericht.

00:42:31: Und deswegen gibt es eben eine gewisse Abhängigkeit im Maßnahmenurteilen von diesen sachverständigen

00:42:38: Personen.

00:42:39: Und die sachverständigen Personen sollen aber nur über, in Anführungszeichen nur über

00:42:45: das Rückfallrisikourteilen, nicht aber die rechtlichen Folgen.

00:42:48: Wenn beispielsweise in einem Gutachten steht, wegen diesem hohen Rückfallrisiko ist zwingend

00:42:54: eine Verwahrung anzuhorden und wäre das ein sehr schlechtes Beispiel für ein Gutachten,

00:42:58: weil diese rechtlichen Folgen, die Zuschreibung, der Gefährlichkeit und damit einhergehend

00:43:03: die Anordnung der Maßnahmen bleibt immer dem Gericht überhalten, aber es wird eben davon

00:43:08: einen Kompetenzverlust gesprochen, weil das Gericht sich immer auf diese Gutachten stützt.

00:43:13: Und ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie wir bereits gehört haben, teilen die sachverständigen

00:43:20: Personen dem Gericht das Rückfallrisiko mit, in diesem Gutachten.

00:43:25: Meist schriftlich in einem ersten Schritt, die sachverständigen Personen können dann

00:43:29: immer auch noch mündlich angehört werden in Verhandlungen, aber es kommt eben immer

00:43:34: sehr darauf an, wie dieses Rückfallrisiko kommuniziert wird.

00:43:39: Unter dem Stichwort Risikokommunikation gibt es diese Diskussionen, beispielsweise kann

00:43:45: eben da stehen 5%, 20%, 70%, oder es kann stehen leicht, moderat, hoch, sehr hoch.

00:43:52: Und da gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass eben sachverständige Personen ganz unterschiedliche

00:43:58: Risiken unter Moderat verstehen.

00:44:00: Manchmal beginnt das vielleicht bei 5%, andere gehen vielleicht hoch bis zu 60%, nur so

00:44:06: als Beispiel.

00:44:07: Und auch die Gerichte verstehen da jeweils etwas anderes darunter.

00:44:11: Und um jetzt den Bogen zu den Falschpositiven zu schließen, es könnte beispielsweise sein,

00:44:17: wie neben steht, moderat, dass das Gericht das Rückfallrisiko überschätzt und eine Maßnahme

00:44:23: anordnet, die es nicht angeordnet hätte, wenn die Formulierung vielleicht ganz anders

00:44:28: geroutet hätte.

00:44:29: Und solche Verständlichsschwierigkeiten können dann zulasten von betroffenen Personen gehen.

00:44:35: Und deswegen ist es eben sehr wichtig, dass man sich in dieser Interdisziplinität weiterbildet,

00:44:41: eben vor allem auch wir Jurist*innen uns Fachwissen aneignen aus dem anderen Fachgebiet.

00:44:46: Ja, dazu nimmt uns gleich noch etwas aus ihrem Artikel konkret Wunde.

00:44:53: Sie schreiben, stellen wir uns vor, das Gericht hat eine Person keine Gefährlichkeit zugeschrieben,

00:44:59: weil es ein Rückfallrisiko von 20% als vertretbar erachtet hat.

00:45:04: Wenn diese Person dennoch rückfällig wird, kann nicht darauf geschlossen werden, die

00:45:08: Zuschreibung des Gerichts sei falsch gewesen und hätte bei einem 20%-igem Rückfallrisiko

00:45:14: auf gefährlich lauten müssen.

00:45:16: Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

00:45:18: Ja, ich denke hier ist wieder wichtig zu betonen, dass die Zuschreibung der Gefährlichkeit ein

00:45:24: preskriptives Urteil ist.

00:45:26: Also das bedeutet, dass eine Person eine Eigenschaft zugeschrieben wird.

00:45:33: In dem Moment, als das Gericht entscheidet, eine Maßnahme anzuordnen, schreibt es eine

00:45:39: Person Gefährlichkeit zu.

00:45:41: Die Entscheidung des Gerichts hängt von einer Risikobeurteilung ab.

00:45:47: Es steht im Ermessen des Gerichts zu entscheiden, welche Höhe des Risikos eine Maßnahme recht

00:45:53: fettigt.

00:45:54: Also beispielsweise muss es beurteilen, ob eine 20%-ige Wahrscheinlichkeit ausreichend,

00:46:00: dass eine Person ein weiteres schweres Delikt begeht, um eine Maßnahme anzuordnen.

00:46:05: Oder es muss die Frage beurteilen, wie viel höher das Rückfallrisiko sein muss, wenn

00:46:13: es sich um ein milderes Delikt handelt.

00:46:16: Und die Beurteilung dieser Fragen ist eben den Gerichten überlassen.

00:46:21: Wenn ein Gericht sagt, eine 20%-ige Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus, um eine Maßnahme anzuordnen,

00:46:29: dann schreibt es der betroffenen Person keine Gefährlichkeit zu.

00:46:33: Obwohl es weiß, dass die Person rückfällig werden könnte.

00:46:37: Das heißt, die Person ist aus rechtlicher Sicht nicht gefährlich.

00:46:42: Demnach ist das Urteil, das auf nicht gefährlich rautet, in dieser Hinsicht richtig.

00:46:49: Wenn dann diese Person doch rückfällig wird, dann war nicht das Urteil des Gerichts auf

00:46:55: nicht gefährlich falsch.

00:46:57: Vielmehr nahm das Gericht eine 20%-ige Wahrscheinlichkeit erneutete Influenz in Kauf, weil es als nicht

00:47:05: gerechtfertigt erachtete, die betroffene Person in den Maßnahmenvollzug zu stecken.

00:47:11: Das ist gerade das Zusammenspiel zwischen deskriptiven und normativen Gehalten, oder?

00:47:18: Ja, das spielt sich klar aus.

00:47:21: Ja, und das hat auch ein bisschen damit zu tun, wenn es dann, das ist die Frage, also

00:47:28: juristisch sprich man da von dieser ex ante und ex postperspektive.

00:47:32: Wenn wir quasi, wenn wir davon ausgehen, dass das zuverlässig ist, die Prognose und wirklich

00:47:38: ein 20%-Risiko besteht bei Herrn B.

00:47:42: Dann liegt es in der Natur der Sache, dass sich auch 20% verwirklichen können, auch 2%-ige

00:47:50: Risiken können sich verwirklichen.

00:47:52: Und gleichzeitig besteht aber auch die sogenannte Komplementärwahrscheinlichkeit, das hat zu

00:47:59: 98% oder zu, jetzt muss ich rechnen, zu 80%.

00:48:04: Die Person wird nicht rückfällig, aber da quasi, man spricht glaube ich in der Psychologie

00:48:12: von Rückschaufehler.

00:48:13: Also wenn man dann quasi das Ergebnis anschaut und plötzlich mit diesen Mehr an Informationen,

00:48:20: die Entscheidung im Zeitpunkt des Gerichts plötzlich anders sehen möchte, ich glaube,

00:48:26: das wäre ein logischer Fehler eigentlich.

00:48:28: Das ist das, was wir ausdrücken wollten mit diesem Satz.

00:48:34: Jetzt wenn wir das etwas aus einer Metaperspektive versuchen zu betrachten, da gibt es einige

00:48:42: quasi Strickfälle, in die man da hineintrampen kann, als Gutachter, Gutachterin, als Richter,

00:48:47: Richterin.

00:48:48: Eine etwas kritische Frage, vielleicht gerade auch mit Blick auf all die Personen, die nicht

00:48:56: bereits straffällig wurden und auf keine Gefährlichkeit hin evaluiert werden, dürfen

00:49:01: Prognosen jemals eine Wolle spielen im Strafrecht, respektive Maßnahmen recht?

00:49:07: Ja, also so als Juristin, muss die erste Antwort vielleicht auch sein, ja es steht

00:49:13: nun mal so im Gesetz, also das Gesetz verlangt, dass wir irgendwie in die Zukunft schauen

00:49:18: und das ist erfahrungsgemäß schwierig.

00:49:20: Darum, aber das Wort dürfen ist ja auch noch, ist das Legitim, also ist das quasi und da

00:49:30: ist die Frage dann schwieriger zu beantworten, weil gerade bei Prognosen, also Julia hat

00:49:38: das schon ein bisschen erwähnt, kommen zwei Arten von Unzweifeln und Unwicherheiten hinzu,

00:49:45: über die wir jetzt noch gar nicht so viel gesprochen haben, aber die eigentliche Basis

00:49:50: von diesen ganzen Maßnahmen sind.

00:49:52: Und zwar gibt es ersten so Zweifel über die Prognose-Sicherheit an sich und dann sind

00:50:00: die anderen Zweifel und ich meine, das ist auch ein Grundanliegen von uns, nach der Legitimation

00:50:07: zu fragen, also aber wenn wir mit Zwerstu die Prognose-Sicherheit an sich kommen, im

00:50:13: deutschsprachigen Raum, es gibt diesen Diskurs, aber es gibt ihn nicht so sehr.

00:50:18: Im anglo-60. Raum ist gerade, es gibt das sehr kritische forensische Psychiater*innen,

00:50:25: die vielleicht auch, weil sie andere Strafrechtsysteme haben, das sehr, sehr kritisch sehen.

00:50:31: Professor Anna Konnings hat das in ihrer Habilitation sehr schön herausgearbeitet, die in Kürze

00:50:37: erscheinen wird.

00:50:38: Es ist da beispielsweise Sina Faisel von der Universität Oxford, ist da ein führender

00:50:46: Experte, der das sehr kritisch in seinen Beiträgen sehr kritisch sieht und eigentlich

00:50:56: dafür plädiert, dass man auf solche Prognosen keine, allein auf solche Prognosen keine

00:51:04: Entscheide stützen sollte, weil es einfach zu unsicher sei.

00:51:07: Das ist so das Ein-Ein, ich meine, da haben wir jetzt auch in der ganzen Diskussion und

00:51:12: eigentlich immer gehen, wir hat davon aus, diese 15%, diese 30%, die bestehen einfach.

00:51:18: Aber eigentlich ist schon diese Prognose etwas unsicher und wenn man natürlich dort, wenn

00:51:23: es dort zu wackeln anfängt, wackelt das ganze Konstrukt, das ist so das eine und das andere

00:51:30: ist und das muss man sich auch bewusst sein, das haben wir versucht, den Aufsatz zu sagen

00:51:36: und auch sonst diese Prognosen sprechen ja nicht davon, dass jemand sicher rückfällig

00:51:44: wird oder sicher nicht rückfällig.

00:51:46: Also man muss sich das einmal überlegen, diese Prognosen sprechen davon, Herr B wird

00:51:52: mit 20% Wahrscheinlichkeit rückfällig und die sogenannte Komplementärwahrscheinlichkeit,

00:51:59: das heißt was übrig bleibt ist dann zu 80% wird Herr B nicht rückfällig.

00:52:05: Und dann stellen sich eigentlich so aus Juristin oder auch aus, Philosophin oder vielleicht

00:52:13: auch einfach aus Bürgerin, stellen sich schon die Frage ist das noch legitim eine Sanktion

00:52:20: auf so etwas zu stützen.

00:52:21: Das Sanktionenrechtsurgestein Peter Albrecht, das ist sehr bekannt in der Schweiz, hat einmal

00:52:27: gesagt allenfalls sei es so war eine Verletzung des Kerngehals auf persönliche Freiheit,

00:52:34: wenn man ein Freiheitsentzug eigentlich auf solche Wahrscheinlichkeiten stützt.

00:52:38: Und ja, also diese zwei Sachen müssen wir schon, finde ich, auch immer beachten, weil

00:52:44: die werden in der Diskussion eigentlich ausgeklammert.

00:52:47: Also, dürft wie sicher sind diese Prognosen überhaupt und selbst wenn sie sicher sind,

00:52:54: wie legitim können wir dann wirklich jemandem sagen, dir entziehen wir die Freiheit wegen

00:53:00: dieser Wahrscheinlichkeit.

00:53:01: Ich glaube, das sind Grundfragen, die nicht einfach zu beantworten sind, aber die sich

00:53:06: stellen und die, die wir nicht ausklammern, sollten.

00:53:08: Nun zurück zum empirischen, eine zentrale Frage ihres Artikels ist ja, ob man innerhalb

00:53:16: des Maßnahmen rechts überhaupt von falsch Positiven sprechen kann.

00:53:20: Aber man müsste nicht eigentlich die Frage lauten, ob nicht jede Person innerhalb des

00:53:25: Maßnahmenvollzugs ein falsch Positiv darstellt, denn wie ihr schreibt, kann so lange die

00:53:31: Person inhaftiert ist, nicht wirklich oder kann überhaupt nicht eruiert werden, ob sie

00:53:36: rückfällig wird oder nicht?

00:53:38: Ja, ich denke, hier wissen wir unterscheidend zwischen dem, was tatsächlich ist oder wäre

00:53:45: und dem, was wir über diese Tatsachen wissen können.

00:53:48: Wir können nicht wissen, ob eine inhaftierte Person straffällig geworden wäre, hätte

00:53:55: man sie nicht inhaftiert.

00:53:57: Das heißt, wir können über keine bestimmte Person wissen, ob das Gerichtsurteil falsch

00:54:03: Positiv ist.

00:54:04: Die Gerichte beurteilen aber aufgrund von Wahrscheinlichkeiten, ob eine Person eine

00:54:10: Maßnahme auflegt wird.

00:54:12: Würde es bei einer 30%-Wahrscheinlichkeit, dass eine Person ein schweres Delikt begeht,

00:54:20: jedes Mal eine Maßnahme auferlegen, dann würde rein rechnerisch im statistischen Idealfall

00:54:27: bei 30 von 100 Personen ein richtig Positives Urteil vorlegen.

00:54:32: Bei allen anderen könnte ein falsch Positives Urteil vorlegen.

00:54:38: Wie hoch die Anzahl solcher falsch Positiven Urteile ist und welches konkret sind, können

00:54:46: wir nicht wissen.

00:54:47: Was wir aber wissen können, ist, dass statistisch gesehen nicht alle Personen im Maßnahmenvollzug

00:54:55: ein falsch Positiv darstellen, falls die Risikogutachten etwas taugen.

00:54:59: Also in Ihrem Artikel kommt hier kurzum zum Schluss, dass man durchaus von falsch Positiven

00:55:06: im Maßnahmenrecht sprechen kann.

00:55:08: Aber welche Konsequenzen hat eure Analyse nun für das Maßnahmenrecht insgesamt?

00:55:15: Also wir sind uns durchaus bewusst, dass man diesen Artikel auch als Kritik am Maßnahmenrecht

00:55:22: insgesamt verstehen kann, dass man den so lesen kann.

00:55:25: Und uns ist es auch wichtig nochmal zu betonen, dass eben vieles im Argen liegt und weitere

00:55:31: Verbesserungen unbedingt notwendig sind.

00:55:33: Aber wir haben jetzt auch keine Patentlösung parat, was jetzt konkret verbessert werden

00:55:38: müsste und dann ist alles perfekt.

00:55:40: So wird es sicherlich niemals sein.

00:55:42: Aber die verschiedenen Baustellen, die wir bereits angesprochen haben, ist uns einfach

00:55:46: wichtig, dass man da dran bleibt und das nicht ignoriert.

00:55:49: Ja, und auch, dass man einfach sich bewusst ist bei jeder, bei der ganzen Debatte, aber

00:55:57: auch vor allem bei jeder gerichtlichen juristischen Entscheidung, dass es eine bestimmte Anzahl

00:56:04: von, auch wenn sie nicht identifizierbar sind, dass es Personen gibt, denen die Freude

00:56:11: entzogen wird, obwohl sie nicht rückfällig würden.

00:56:14: Diese Personen bilden als Menge die falsch Positiven des Maßnahmenrechts.

00:56:21: Und da schließt sich der Bogen für uns.

00:56:24: Es gibt eigentlich dieser Begriff oder diese Debatte, es gibt so wie ein Analysewerkzeug

00:56:30: an die Hand, um die Legitimation des Maßnahmenrechts an sich zu hinterfragen.

00:56:35: Und dann kann man so weit gehen und sagen, inwieweit ist es legitim, dass eine Gruppe

00:56:44: von nicht identifizierbaren, falsch Positiven die Freude entzogen wird, um die Gesellschaft

00:56:49: zu schützen?

00:56:50: Und auf welche Größe darf diese Gruppe wachsen, bevor der Rechtsstaat zum Unrechtsstaat

00:56:57: wird?

00:56:58: Ja, wir glauben, das sind Fragen, die man nicht ignorieren sollte und ja, und diese Debatte

00:57:06: ist und damit schließt sich der Bogen, der Debatten-Analyse ist, es ist eine wichtige

00:57:12: Debatte, die weiterhin zu führen ist, weil es um die Legitimation an sich geht.

00:57:16: Ja, Frau Lehmann, Sie haben es bereits gesagt, man kann ihren Artikel, wenn man so möchte,

00:57:24: als Kritik lesen.

00:57:25: Wenn man ihn jetzt tatsächlich als Kritik lesen würde, könnte man das auch ein bisschen

00:57:29: weiterspannen und sagen, man könnte diese Auseinandersetzung mit falsch Positiven auch

00:57:35: als allgemeine Kritik an der Verwissenschaftlichung des Rechts gelesen werden.

00:57:40: Jetzt zum Beispiel auch in Zusammenhang mit dem, was Herr Studer am Anfang gesagt hat,

00:57:45: sollte man zum Beispiel im Recht wieder etwas mehr abrücken von solchen wissenschaftlichen

00:57:53: Anführungs- und Schlusszeichen-Instrumenten und wieder mehr den Menschen sehen und den

00:57:57: Menschen ins Zentrum rücken.

00:57:59: Ja, ich übernehme diese Antwort gerne.

00:58:04: In gewisser Hinsicht würde ich schon sagen, dass man unsere Auseinandersetzung mit falsch

00:58:11: Positiven auch als allgemeine Kritik an der Verwissenschaftlichung des Rechts lesen kann,

00:58:19: obwohl ich nicht behaupten würde, dass das Recht überhaupt nicht verwissenschaftlich

00:58:23: werden soll, was auch immer das genau heißen mag.

00:58:26: Ich würde aber eher betonen wollen, dass das Recht nicht in allen Bereichen verwissenschaftlich

00:58:33: werden kann, denn das Recht trifft Werturteile und solche hängen von vielen Faktoren ab,

00:58:40: die wir weder Messen noch berechnen können.

00:58:43: Dingen wie zum Beispiel, wie hoch das Rückfallrisiko sein muss, damit ein Freiheitsentzug gerechtfertigt

00:58:49: ist.

00:58:50: Ja, wenn wir von einem mehr oder weniger von Wissenschaft sprechen, wo wäre dann konkret

00:58:57: auch Bedarf noch mehr Wissenschaft, noch mehr Verwissenschaftlichung?

00:59:01: Ich denke gerade in Bezug auf das Maßnahmenrecht könnte mit wissenschaftlicher Herangensweise

00:59:09: noch viel viel herausgeholt werden.

00:59:11: Die Übersetzung zum Beispiel vom Begriff des Rückfallsrisikos zum Begriff der Gefährlichkeit

00:59:18: könnte noch besser wissenschaftlich untersucht werden, sodass wir den Gerichten dann zweckmäßigere

00:59:27: Begriffe und Tours zur Verfügung stellen können, um zu ihrem Schluss zu kommen, dass

00:59:32: eine Person gefährlich ist, aufgrund eines Rückfallrisikos.

00:59:35: Ja, nach dieser breiten Analyse würde ich nun gerne auch noch auf ihre individuellen

00:59:42: Arbeiten zu sprechen kommen, wenn wir das zum Schluss kurz dürfen.

00:59:47: Herr Studer, Sie haben das erwähnt, Sie haben sich im Rahmen Ihrer Dissertion, oder setzen

00:59:54: Sie sich immer noch weit auseinander mit diesem Begriff der Ungefährlichkeitsvermutung

00:59:59: als analog zur Unschuldsvermutung, mögen Sie etwas ausführen, was diese These in sich

01:00:05: hat oder überhaupt die Konsequenz und die Breite Ihrer Arbeit etwas aufzuzeigen?

01:00:11: Ja, das kann ich sehr, sehr gerne und Sie haben es bereits angetönt, der, ich soll

01:00:17: nicht sagen, der rhetorische Ausgangspunkt ist eigentlich die Unschuldsvermutung.

01:00:21: Also, es gibt, das wurde jetzt auch im Podcast verschiedentlich gesagt, es gibt Strafen, die

01:00:28: basieren auf der Schuld und es gibt eben diese Maßnahmen, die basieren auf der Gefährlichkeit

01:00:32: und die Unschuldsvermutung, das ist eigentlich ein, ja, ein strafrechtlicher oder ein verfassungsrechtlicher,

01:00:44: ein verfassungsrechtliches Grundprinzip, das völlig unumstritten ist, ob das sich auf

01:00:49: Strafen anwendet und ich versuche mich eigentlich in meiner Forschung, ich frage mich in meiner

01:00:53: Forschung, sollte es oder gibt es bereits ein Equivalent dazu bei Maßnahmen?

01:01:00: Also, wie, kurz gesagt, wie haben wir mit dem Zweifel umzugehen im Zusammenhang mit Maßnahmen?

01:01:08: Also, die Arbeit, ich bin immer noch dran, ich bin jetzt seit dreieinhalb Jahren am

01:01:14: Forschend zum Thema, der Schweizer Nationalfahrt hat mir ein Stipendium gesprochen, ich kann

01:01:19: mich wirklich voll darauf fokussieren und ja, aber trotzdem ist es noch, ist es jetzt,

01:01:25: wenn ich darüber spreche, eher ein Werkstattbericht, dass ich kann jetzt noch nicht die, ich kann

01:01:30: noch nicht die Ergebnisse vorwegnehmen, ich kann kurz gesagt, geht es eben nur diesen

01:01:35: Umgang mit dem Zweifel und das Spielen einerseits das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Rolle,

01:01:41: wie spielt das im Maßnahmenrecht hinein und auf der anderen Seite der Indubio-Proreo-Grundsatz,

01:01:48: also im Zweifel für den Angeklagten und ich möchte eigentlich aufzeigen, wie sind diese

01:01:55: Grundsätze im Maßnahmenrecht anzuwenden und diese Anwendung dieser beiden Grundsätze ergibt

01:02:02: für mich die sogenannte Ungefährlichkeitsvermutung.

01:02:05: Das ist aber eher so ein bisschen ein catchy Begriff, die Wettung hinter dem Konzept sind,

01:02:12: aber nicht catchy, es geht darum um grundlegendste Rechte von Betroffenen und Personen in einem

01:02:17: Rechtsstaat und das auch, wenn wir schwere Maßnahmen wie die Verwahrung anordnen und

01:02:23: nicht, wenn es, nicht nur beispielsweise, wenn es um Geldstrafen geht, man kann diese

01:02:28: Rechte wie ich, die nicht Strafe und Schuld, sondern Maßnahmen und Gefährlichkeiten betreffen,

01:02:36: unter dem Begriff der Ungefährlichkeitsvermutung zusammenfassen oder auch nicht, das überlasse

01:02:40: ich eigentlich an den Lesenden im Kern, soll es aber darum gehen, wie darf Gefährlichkeit

01:02:48: im Rechtsstaat zugeschrieben werden.

01:02:50: Das ist diese Frage gehe ich nach, seit dreieinhalb Jahren und ich hoffe, nächsten Sommer komme

01:02:56: ich zu einem, zu einem Ergebnis.

01:02:58: Frau Moser, mich würde interessieren, in Ihrer Dissertation beleuchten Sie die Entwicklungen

01:03:05: des Strafrechts in seiner Entstehung von den Ursprüngen bis hin zu den Kernanliegen

01:03:11: der präventiven Strafrechtspolitik.

01:03:15: Wissenschaftliche Betrachtungsweisen haben, so führen Sie es aus, schon immer das Strafrecht

01:03:21: geprägt.

01:03:22: Wie kann man sich das in diesem weiteren Rahmen unabhängig von dem, was wir jetzt besprochen

01:03:27: haben, vorstellen?

01:03:28: Also ich weiß nicht, ob ich behaupten würde, dass wissenschaftliche Betrachtungsweisen

01:03:34: schon immer das Strafrecht geprägt haben.

01:03:38: Es kommt hier darauf an, was wir unter wissenschaftlichen Betrachtungsweisen und unter Strafrecht verstehen.

01:03:43: Man könnte aber sagen, dass das Strafrecht, so wie wir es jetzt verstehen, erst mit der

01:03:50: Entstehung von Rechtsstaaten überhaupt entstanden ist.

01:03:55: Strafpraxis und Strafriestits aber gab es schon früher.

01:04:01: Man kann sich nun fragen, inwiefern der Aufschwung von wissenschaftlichen Disziplinen und Erkenntnissen

01:04:07: im 17.

01:04:08: 18.

01:04:09: und 19.

01:04:10: Jahrhundert die Entwicklung von Rechtsstaaten und damit das Strafrecht beinflusste.

01:04:15: Und wie die Strafriestits sich dadurch veränderte?

01:04:19: In meiner Disziplination zeige ich zum Beispiel auf, dass wissenschaftlich gefährdte Vorstellungen

01:04:27: unsere Rechtsetzung prägt, wie zum Beispiel die Vorstellung, dass wir menschliches Verhalten

01:04:33: prinzipiell vorhersagen können.

01:04:35: Ja, Frau Lemon nun zu Ihnen.

01:04:39: Ihre Disziplination, die beschäftigt sich mit den strafprozessoren Anforderungen an

01:04:44: die Erstellung forensisch-psychiatrischer Gutachten.

01:04:47: Inwiefern unterscheidet sich, wenn überhaupt, diese prozessuale Perspektive auf diese

01:04:53: Frage von den materiell rechtlichen.

01:04:56: Und inwiefern werden dabei auch Aspekte anderer Disziplinen als das Recht berücksichtigt?

01:05:02: Ja, diese Diskussion um forensisch-psychiatrische Gutachten, die wir seit mehreren Jahrzehnten

01:05:09: geführte, ist im Kern eigentlich nicht neu.

01:05:12: Aber bisher wurde sie meines Erachtens verstärkt auf diese materiell rechtlichen und psychiatrischen

01:05:19: Anforderungen geführt.

01:05:21: Also wie wird Lege-Artist ein Gutachten erstellt?

01:05:24: Wie werden die Anforderungen der Psychiatrie eingehalten, diese Standards?

01:05:30: Und dann vor allem auch materiell rechtlich, was muss ein Gutachten inhaltlich haben, wie

01:05:36: ist es aufgebaut etc.

01:05:39: Und ja, alle diese Fragen, die sie ändert, materiell rechtlich, inhaltlich, forensisch-psychiatrisch

01:05:44: ist.

01:05:45: Und dabei wurde meines Erachtens manchmal nicht das vergessen, dass es sich bei diesen

01:05:49: Gutachten eigentlich um Beweismittel in einem Strafprozess handelt, die also ganz im Kern

01:05:55: den strafprozessoren Anforderungen wie beispielsweise an die Teilnahmerechte, an die Dokumentation

01:06:00: und eben auch an die Unschuldsvermutung genügen müssen.

01:06:04: Und ich untersuche deswegen in meiner Dissertation, welche Vorgaben die Europäische Menschenrechtskonvention,

01:06:12: die Bundesverfassung und die Schweizer Strafprozessordnung vorgeben, eben an die Erstellung dieser

01:06:19: forensisch-psychiatrischen Gutachten.

01:06:21: Und hier beistellt sich auch die Frage, inwiefern sind denn diese sachverständigen Personen,

01:06:27: die ja nicht zu den Strafverfolgungsbehörden im eigentlichen Sinne gehören, an diese

01:06:33: Antwortungen des Strafprozesses gebunden sind und in welchem Umfang sie sie eben einhalten

01:06:39: müssen, weil sie solche Beweismittel für die Gerichte erstellen und auch was passiert,

01:06:44: wenn sie nicht eingehalten werden.

01:06:46: Ja, vielen Dank für diese Ein- und Ausblicke in eurer Arbeit.

01:06:54: Wir sind sehr gespannt, Ihre Dissertationen dann zu lesen, wenn es so weit ist.

01:06:59: Und wir bedanken uns ganz herzlich, dass ihr heute da wart für eure Zeit und dass ihr

01:07:04: mit uns ein bisschen das diskutiert habt, wie es im Maßnahmenrecht aussieht, wie es aussehen

01:07:10: sollte und wie es vielleicht auch weitergeht.

01:07:12: Ganz herzlichen Dank.

01:07:13: Vielen Dank.

01:07:14: Vielen Dank.

01:07:15: Herzlichen Dank.

01:07:16: [Musik]

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